Nüchtern betrachtet ist ein Banh Mi ein Sandwich. D.h. es besteht aus zwei Brotscheiben oder einer Baguette mit einer oder mehrerer Füllungen dazwischen. Bánh Mì kann somit in einem Atemzug mit den bekannten Fastfood Klassikern wie z.B. den Leberkäsbrötchen, Hamburgern, Paninis, Fischbrötchen und Döner Kebabs dieser Welt genannt werden.
Die vietnamesische Küche ist bekannt als: intensiv, bunt, kontrastreich, exotisch, würzig, kreativ, frisch und gesund. Sie hat ihren Platz in der hiesigen Gastronomieszene schon längst gefunden. Was mich wundert: Das französisch-vietnamesische Sandwich Banh Mi ist weitestgehend unbekannt, obwohl die Entstehungsgeschichte des Banh Mi recht interessant ist.
West meets East.
Mitte des 19. Jahrhunderts begann die französische Kolonialzeit in Vietnam. Bis 1954 war Vietnam Teil des französischen Kolonialreichs Indochina. Der französische Einfluss auf das Leben in Vietnam ist nicht zu übersehen und zu überhören. Hörbare Beispiele für den Einfluss sind vietnamesische Begriffe wie pho mát (fromage, Käse), bơ (beurre, Butter), xà phòng (savon, Seife) oder búp bé (poupée, Puppe). Bei einem Besuch der Kathedrale Nhà thờ Đức Bà (übersetzt: Notre Dame) in Saigon fühlt man sich an Paris erinnert. Sehr spannend sind die französischen Spuren in der vietnamesischen Küche. Zum Beispiel lieben Vietnamesen karamellisierte Speisen, wie sie bei den einstigen Kolonialherren so beliebt sind. Hefeteilchen oder Croissants sind sogar in kleinsten Dörfern erhältlich. Banh Mi Zitronengras.
Die Baguette wurde schnell in die Esskultur der Vietnamesen übernommen. Gefüllt mit vietnamesisch marinierten Fleisch, eingelegtem Gemüse, frischen Kräutern, Gurken und Koriander war das Bánh Mì geboren. Bánh Mì heißt wörtlich übersetzt „Brot aus Mehl“ und ist das Produkt aus diesem Zusammentreffen dieser zwei Kulturen. Und mit jedem Biss in einem Banh Mi erschmeckt man genau diese Geschichte: 100 Jahre französischer und über 1.000 Jahre chinesischer Einfluss. Banh Mi lebt durch die Kontraste: süß trifft salzig, kalt trifft warm und kross trifft weich. Die Unterschiede finden zusammen. Banh Mi verbindet.
Das Besondere an einem Banh Mi ist der geschmackliche und visuelle Kontrast. Man kann mit jedem Biss schmecken, dass Banh Mi seinen Ursprung in der Indochinazeit hatte und somit wohl als erstes französisch-vietnamesische Fusionfood genannt werden kann. Da es so viele unzählige Varianten von Banh Mi gibt und wir keine Wissenschaft daraus machen sollten, was ein Banh Mi ist und was keins, hier eine einfache Definition:
"Ein Sandwich ist dann ein Bánh Mì, wenn Du mit einem Biss das Gefühl hast, Kontraste zusammenzubringen: Süß trifft salzig, heiß trifft kalt, knusprig trifft weich. Fernost trifft Westen."
-Hung Tieu, Stuttgart-